Die neue Bundesregierung hat ihr erstes migrationspolitisches Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag auf den Weg gebracht.
Berlin, 23.08.2022. Mit dem geplanten Chancen-Aufenthaltsrecht plant die Bundesregierung, geduldeten Menschen, die sich ab dem 01.01.2022 mehr als fünf Jahre in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Erklärtes Ziel ist es, die sog. Kettenduldungen abzuschaffen und Personen, die langjährig in Deutschland leben, eine echte aufenthaltsrechtliche Perspektive zu eröffnen. Wer Straftaten begangen hat oder hartnäckig Angaben über seine Identität verweigert, soll dabei vom Chancen-Aufenthaltsrecht ausgeschlossen bleiben. Derzeit leben 242.029 Personen mit einer Duldung in Deutschland, c. a.136.000 von ihnen über fünf Jahre oder länger, und hätten damit Anspruch auf das Recht.
In das kommende Gesetz werden viele Hoffnungen gesteckt. Das ist kein Wunder, schließlich könnte nach den vielen Verschlechterungen im Aufenthalts- und Asylrecht der letzten Jahre, das Chancen-Aufenthaltsrecht eine echte Perspektive für viele Menschen bedeuten. „Um den versprochenen Perspektivwechsel erfolgreich und nachhaltig zu gestalten, bedarf es noch einiger Anpassungen beim Chancen-Aufenthaltsrecht“, regt Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbands an.
„Um der Praxis der Kettenduldungen nachhaltig entgegen zu treten, ist eine permanente Regelung der Stichtagsregelung vorzuziehen“, fordert Brigitte Döcker. „Es erscheint willkürlich, dass Personen, die erst nach dem 01.01.2022 einen fünfjährigen Aufenthalt in Deutschland nachweisen können, keine Chance verdient haben. Ohne eine Entfristung bleiben diese Personen in der ungewollten Kettenduldung. Mindestens sollte – wegen der Dauer der Umsetzung des Koalitionsvertrags – das Datum des Inkrafttretens des Gesetzes als Stichtag bestimmt werden, da sonst aus dem dort vorgesehenen fünfjährigen Voraufenthalt ein sechsjähriger Voraufenthalt wird.“
Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, haben Personen laut Gesetzesentwurf keinen Anspruch auf das Chancen-Aufenthaltsrecht. Die Ausländerbehörden können die Aufenthaltserlaubnis und damit die Chance versagen, wenn ein atypischer Fall vorliegt. „Die Frage, wann ein atypischer Fall vorliegt, kann in der Praxis zu großen Rechtsunsicherheiten auf Seiten der Behörden und Geduldeten führen. Für eine praxistaugliche Umsetzung empfiehlt die AWO, dass Chancen- Aufenthaltsrecht direkt zu erteilen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind“, kommentiert Döcker.
Mit dem Gesetzesentwurf werden aber auch bereits bestehende Bleiberechtsregelungen im Aufenthaltsrecht angepasst. So sollen Voraufenthaltszeiten für gut integrierte Jugendliche auf drei Jahre verkürzt und bis zum 27. Lebensjahr angewandt werden. Erwachsene werden schon nach sechs bzw. vier Jahren mit minderjährigen Kindern im Haushalt ein Bleiberecht erhalten können.
„Neben der Anpassung der oberen Altersgrenze, die die AWO ausdrücklich begrüßt, fordern wir auch die Anpassung der unteren Altersgrenze“, so die AWO-Vorstandsvorsitzende weiter. „Es erscheint, insbesondere aus kinderrechtlichen Erwägungen, willkürlich, weshalb ein 14-jährige*r Antragsteller*in mit dreijährigem Voraufenthalt schützenswerter ist als ein*e 10- oder 12-jähriger Antragsteller*in. Alle haben jeweils drei Jahre erfolgreich die Schule besucht, was das Anknüpfungsmerkmal im Rahmen der guten Integration sein sollte“.
Die Stellungnahme des AWO Bundesverbandes zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts gibt es hier als PDF zum Download: https://awo.org/sites/default/files/2022-06/Stellungnahme%20des%20AWO%20Bundesverbands_220617_0.pdf
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Quelle: AWO Bundesverband e.V.