Berlin, 10.08.2023. Seit Monaten beklagen etliche Bundesländer und Kommunen finanzielle und strukturelle Überlastungen bei der Aufnahme von Schutzsuchenden. Der Anfang August vorgestellte Diskussionsentwurf des Bundesinnenministeriums zur „Verbesserung der Rückführung“ wird diese Situation nicht ändern, kritisiert der AWO Bundesverband. Stattdessen würden Narrative bedient, nach denen die Schuld bei den Schutzsuchenden selbst gesucht wird.
„Umfangreiche Gesetzesänderungen in den letzten Jahren sollten Regelungen, welche Abschiebungsmaßnahmen verhinderten oder erschweren, bereits anpassen. Es wurden Leistungen gekürzt, Arbeitsverbote ausgeweitet und Wohnverpflichtungen deutlich verlängert. Erreicht wurden leider nur ein erhöhter Ausreisedruck und Verunsicherung bei Schutzsuchenden“, erklärt AWO-Präsident Michael Groß. Auch der neue Diskussionsentwurf des BMI schlägt Maßnahmen vor, welche großes Potential haben, unverhältnismäßig in die Grundrechte von Schutzsuchenden einzugreifen. Es werden neue Möglichkeiten der Inhaftierung geschaffen und die Ingewahrsamnahme ausgeweitet. Die Auslesung von Datenträgern wie Handys oder Cloud-Diensten wird pauschal erlaubt. Andere Räumlichkeiten als das Zimmer der Betroffenen in der Gemeinschaftsunterkunft dürften von Behörden ohne Erlaubnis betreten werden. „Die meisten Schutzsuchenden, aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, Iran und Irak, fliehen vor staatlicher Verfolgung und Gewalt. Sie müssen nun damit rechnen, dass jederzeit – meist nachts, wo Abschiebungen in der Regel stattfinden – ihre Wohnräume von Polizisten betreten und durchsucht werden, ohne selbst von einer Maßnahme betroffen zu sein.“ So Groß weiter. „Auch können jederzeit persönliche Bilder und Nachrichten von Behörden ausgelesen werden. Solche Eingriffe in die Grundrechte sind eines Rechtstaats unwürdig!“
Begründet werden diese Maßnahmen mit einer „hohen Zahl“ ausreisepflichtiger Personen. Die AWO weist jedoch darauf hin, dass diese sich statistisch nicht belegen lässt. Laut Ausländerzentralregister waren Ende 2022 insgesamt gut 304.000 Menschen ausreisepflichtig, davon etwa 248.000 mit einer Duldung. Allerdings sind die Daten im Ausländerzentralregister kaum valide. Zum einen werden freiwillige Ausreisen oftmals nicht dokumentiert, sondern nur Abschiebungen und freiwillige Ausreisen, die über staatliche Programme wie REAG/GARP laufen. Zum anderen gibt es Duldungsgründe, wie zum Beispiel ein Ausbildungsverhältnis, wo kein Interesse an einer Vollziehung der Ausreisepflicht vorliegt. „Wir müssen uns darauf besinnen, das Asyl ein Menschenrecht ist, und Abschreckung und Abschottung nicht nur den betroffenen Schutzsuchenden schaden, sondern auch unserer Gesellschaft. Als AWO unterstützen wir die Einführung des Chancenaufenthalts als Schritt in die richtige Richtung und fordern die politischen Entscheidungsträger*innen auf, in diese Richtung weiterzudenken“, so Michael Groß abschließend.
Quelle: AWO-Bundesverband e.V.